Brücke über die A831 bei Vaihingen: STORZ erprobt Sanierungstechnik der Zukunft

Wenn von Glasfasern die Rede ist, denkt man wohl sofort an Medienkabel. In der Tat sind diese Lichtwellenleiter zur Übertragung von Signalen in der modernen Kommunikationstechnik unverzichtbar. Aber glasfaserverstärkte Kunststoffe - kurz GFK - haben seit vielen Jahrzehnten auch ihren festen Platz in den verschiedensten Konstruktionsbereichen: Sportboote oder Segelflugzeuge sind Beispiele dafür. Bald könnte Glasfaser auch Einzug halten in die Sanierung von Brücken. Verbaut als Bewehrung anstelle von Stahl könnten Glasfaserstäbe Betonteilen die gewünschte Festigkeit verleihen, ohne Korrosion befürchten zu müssen. Die STORZ-Bauwerkinstandsetzung (BWI) erprobt diese Technologie derzeit bei der Sanierung einer Fußgängerbrücke über die A831 bei Stuttgart-Vaihingen.

 

Joseph Monier war eigentlich Gärtner. Gleichzeitig verfügte der aus einem südfranzösischen Städtchen stammende Sohn armer Eltern über einen ausgeprägten Erfindergeist. So entwickelte er Mitte des 19. Jahrhunderts, in herrschaftlichen Diensten stehend, zum Transport empfindlicher Pflanzen Kästen, welche haltbarer waren als die bis dahin verwendeten Holzkonstruktionen. Sie bestanden aus einem Kunststein, einer Mischung aus Zement, Sand, Schlacke und Wasser, verstärkt durch eine Einlage aus Drahtgewebe. Diese Pflanzkästen standen am Beginn einer Bauweise, auf die Monier Patente erhielt und die ihn schließlich zum Unternehmer machte. Er wurde zum Vater des Eisenbetonbaus. Moniereisen kennt auch in Deutschland wohl jeder.

„Was wir hier bauen, könnte bei der Sanierung von Brücken eine Technik der Zukunft werden“, sagt Bernd Weimer, BWI-Bereichsleiter. Er blickt dabei auf diese sanft geschwungene, recht schmale Fußgängerbrücke über die A831 bei Stuttgart-Vaihingen. Hier führt STORZ im Auftrag der Autobahn GmbH eine Sanierung mit Pilotcharakter aus. Die Brückenkappen werden nämlich nicht mit Stahl-, sondern mit Glasfaserstäben bewehrt. Die Glasfasern sind eingegossen in Epoxidharz und ähneln in Aussehen und Größe den herkömmlichen Stahlbewehrungen. „Es ist bundesweit das erste Projekt dieser Art. STORZ hat insofern hier die Chance, an einem kleinen Stück Baugeschichte mitzuschreiben.“

Der Einsatz solcher Glasfaserstäbe als Bewehrung könnte helfen, ein großes Problem beim Unterhalt von Brücken zu lösen: Lochfraß. Weimer: „Im Winter streut man in unseren Breiten Salz. Diese Chloride können durch Haarrisse, die jeder Beton früher oder später aufweist, ins Innere des Bauwerks dringen. Die Fahrbahn einer Brücke ist in aller Regel gut abgedichtet und geschützt. Ihr macht dieses Salzwasser wenig aus. Aber die Kappen, also die Brückenränder, über die beispielsweise Gehwege verlaufen und auf denen Geländer verschraubt werden, sind auf Dauer gefährdet. Die üblicherweise verbauten Stahlbewehrungen rosten nach und nach. Glasfaserstäbe dagegen korrodieren nicht.“

Dabei sollen sie die gleichen Eigenschaften aufweisen wie die bisher eingesetzten Stahlbewehrungen, was Zugeigenschaften betrifft. „Der Werkstoff Beton kann enorme Drücke aushalten, aber Zugkräften widersteht er nicht lange. Es sei denn, er wird verstärkt oder bewehrt durch ein innenliegendes Geflecht. Ganz zu Beginn waren Eisen und später Stahl Mittel der Wahl. Doch das könnte sich in bestimmten, weniger belasteten Bereichen ändern.“

Mit dieser Sanierung betrete man in vielerlei Hinsicht Neuland, erläutert der BWI-Chef, denn für den Einsatz von Glasfaserstäben als Bewehrung gebe es noch kein Regelwerk. Deshalb habe bei diesem Projekt das Bundesverkehrsministerium eine Zustimmung im Einzelfall erteilen müssen. „Damit hat man signalisiert: ‚Wir wollen das‘.“ STORZ habe als Auftragnehmer in Zusammenarbeit mit dem Hersteller der Glasfaserstäbe, der Firma Schöck aus Baden-Baden, die statischen Berechnungen für diese Kappensanierung ausführen müssen. „Es war uns als Unternehmen aber wichtig, bei dieser innovativen Technik ganz vorne dabei zu sein“, so Weimer.

Der Einbau der neuartigen Glasfaser-Armierungen vor Ort ähnelt dem einer Stahlbewehrung. Allerdings werden die einzelnen Stäbe nicht mehr mit Drähten, sondern jetzt mit Kabelbindern zusammengehalten. Das daraus entstehende Geflecht wird schließlich in Beton eingegossen. Zuständig für die praktische Umsetzung dieses in die Zukunft weisenden Projektes sind Polier Hannes Wappis und die Facharbeiter Heiko Buchmüller, Lars Spangenberg und Damian Zec. Verglichen mit der neuartigen Bewehrung der Kappen nimmt sich die weitere Sanierung des Bauwerks klassisch aus: Die Oberflächen der Pfeiler, der Widerlager und die des Überbaus werden mit HDW gestrahlt und anschließend mit einer Spritzmörtelschicht zur Erhöhung der Betondeckung und nachfolgend mit Feinspachtel und einer Oberflächenschutzbeschichtung versehen. Der Überbau oben wird mit einer 1-lagigen Schweißbahn und einer Schutzschicht aus Gussasphalt abgedichtet.

„Eine Bewehrung von Brückenkappen mit Glasfaserstäben führt zu einem leichteren und langlebigeren Bau“, sagt Weimer. Wenn dies alles funktioniere wie geplant, werde man in Zukunft weniger Betonstahl einsetzen müssen. Dies spare Material, Energie und damit Treibhausgase: „Diese Bauweise hat also auch nachhaltige Aspekte.“

Trotzdem dürfte es wohl noch lange dauern, bis der Begriff ‚Moniereisen‘ aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden sein wird. Ganz ohne Metallbewehrung dürfte auch der Betonbau der Zukunft nicht auskommen.

 

Informationen zu den Bildern:

 

Die Fußgängerbrücke über ist A831 fertig saniert.

 

BWI-Facharbeiter Lars Spangenberg und Damian Zec (v.l.).

 

Die Brückenkappen werden hier erstmals nicht mit Stahl-, sondern mit Glasfaserstäben bewehrt.

 

Kabelbinder sorgen für das nötige Geflecht.

 

 

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