Tunnel A81 bei Sindelfingen: Wie man eine Autobahn verschwinden lässt

Es geht um erhebliche Erdbewegungen rund um ein Nadelöhr. Zwischen den Abfahrten Böblingen und Sindelfingen-Ost auf der A81 entsteht in den kommenden vier Jahren ein Tunnel, der seinesgleichen sucht: ca. 900 Meter lang, mit zwei Röhren zu je drei Fahrstreifen plus Standspur. Die Bauarbeiten laufen seit Juli. STORZ bildet zusammen mit Wayss & Freytag sowie Hochtief die Dreier-Arge, welche dieses Projekt verwirklicht.

Es regnet in Strömen, als man diese Baustelle Ende Oktober besucht. Im Baucontainer Christoph Feger, dessen Bereich Großprojekte diese Mega-Maßnahme bei STORZ verantwortet, Bauleiter Patrick Jait und sein junger Kollege Julius Hambsch, sowie Polier Armin Braun. Eine Projektbesprechung, wie sie regelmäßig stattfindet. Erstaunlich, wie klein jenseits dieses Führungsteams die Baumannschaft ist: Nur drei Facharbeiter und drei Maschinisten bilden ihren Kern.

„Dies ist nicht so verwunderlich, wie es auf den ersten Blick wirkt“, erläutert Armin Braun, der im STORZ-Sprinter über die Baustelle führt. „Derzeit steht vor allem Maschinenarbeit an. Es geht jetzt um die Herstellung der Baustraße, um den Vorabtrag und den Aufbau einer temporären Lärmschutzwand. So manches erledigen Nachunternehmer für uns.“

Auftraggeberin dieses Großprojektes ist die DEGES, die „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH“. Bei einer gesamten Auftragssumme von 110 Mio. Euro beträgt der STORZ-Anteil ein knappes Drittel, nämlich 33 Mio. Euro. Dafür zeichnet das Tuttlinger Unternehmen für den Erdbau, die Baugrubensicherung, die Entwässerung und später für den Innenausbau und die Überschüttung des Tunnels verantwortlich. „Wir sind also zuständig für alles, was nicht mit Beton zu tun hat“, sagt Braun lachend und zeigt auf zwei große STORZ-Fahnen, die unübersehbar an den Baucontainern angebracht sind: „Bei solchen Summen muss man auch ordentlich Flagge zeigen.“

Diese Baustelle findet bei laufendem Verkehr statt. Denn zwischen dem eigentlichen Baufeld im Norden, der Einrichtungsfläche im Süden und der Zwischenlagerfläche auf dem ehemaligen Böblinger Flugfeld im Südwesten verläuft die A81. Dort, wo der Tunnel entstehen soll, hat man sie auf eine provisorische Trasse nach Süden verlegt. Um zwischen den einzelnen Einsatzorten zu pendeln, selbst wenn sich diese quasi in Sichtweite befinden, muss man also einige Kilometer zurücklegen.

„Wir stehen hier auf der alten Trasse der A 81“, sagt Armin Braun mit Blick nach Süden. „Hier wird der Tunnel in offener Bauweise entstehen: 900 m überdeckelt und 250 Meter für Ein- und Ausfahrtbereiche.“ Rechtsseitig steigt eine Böschung empor, auf der gerade Lärmschutzwände installiert werden. „Um diesen Hang abzusichern und den Vorabtrag für den Tunnel beginnen zu können, wird ab morgen ein Großbohrgerät Bohrpfähle setzen und betonieren“, so der Polier. Die Maschine ist bereits vor Ort.

Man fährt weiter im Sprinter und trifft fünf Kollegen bei der Arbeit an: die Maschinisten Horst Fritz, Theodor Scheuer und Vincenzo Puma sowie Fachwerker Jijie Vasile und Vorarbeiter Andrew Fiorentino. Auf dieser Baustelle werden enorme Bodenmassen bewegt. Allein der Vorabtrag beträgt 100.000 m3. Später, wenn der Tunnel in vier Jahren fertig gebaut sein wird, soll er überschüttet werden, mit insgesamt 300.000 m3 Boden, die zum überwiegenden Teil von anderen Baulosen der Gesamtmaßnahme „6-streifiger Ausbau der BAB 81 AS Sindelfingen-Ost - AS Böblingen-Hulb“ stammen werden.

Um dieses Material zwischenzulagern, wurde eine große Fläche auf dem ehemaligen Böblinger Flugfeld reserviert. Hier existierte in den 20er und 30er Jahren einer der damals modernsten zivilen Flugplätze in Deutschland. Das Empfangsgebäude mit dem Kontrollturm steht noch und zeugt im Bauhaus-Stil von der damaligen technischen Aufbruchstimmung. Automobilfans finden hier inzwischen ihr Mekka; die Motorworld betreibt eine Dependance. In der Nachbarschaft erhebt sich das gut 15 m hohe Haufwerk, das immer weiterwächst.

„Auf dem Gelände hier ist Geschichte immer noch präsent, nicht nur durch die ehemaligen Flugplatzbauten und die große Kaserne“, sagt Armin Braun. „Sindelfingen und Böblingen gehörten wegen ihrer Industrie im Zweiten Weltkrieg zu den wichtigen Zielen der alliierten Bomberflotten.“ Deshalb seien oft genug Experten des Kampfmittelräumdienstes vor Ort, wenn auf dieser Großbaustelle jetzt Bodenmassen bewegt werden.

Es regnet immer noch in Strömen, als der Besuch bei den Bürocontainern endet. Wenige Meter weiter wälzen sich Massen von PKW und LKW über die provisorische Trasse der A81. Kaum zu glauben, dass diese Autobahn in wenigen Jahren auf fast einem Kilometer Länge verschwunden sein wird – nicht mehr zu sehen und nicht mehr zu hören. Der Ingenieurbau für diesen Tunnel soll noch vor Weihnachten beginnen.

 

Informationen zu den Bildern:

 

Das Baufeld für den künftigen Tunnel verläuft auf der alten Trasse der A81. Die Autobahn wurde provisorisch nach Süden verlegt. Unten die Einrichtungsfläche mit den Bürocontainern.

 

Storzianer bei Vorarbeiten für die Baustraße.

 

Blick vom Haufwerk auf dem Gelände des ehemaligen Böblinger Flugfeldes. Hier werden mehrere hunderttausend Kubikmeter Boden zwischengelagert.

 

Bauleiter Patrick Jait, Polier Armin Braun, Jungbauleiter Julius Hambsch (v.l.).

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